Positive Rechtsprechung zu Krankheitskosten; außergewöhnliche Belastung

Der VI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat in der jüngsten Vergangenheit die Absetzbarkeit von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen allgemeiner Art, entgegen der bisherigen Rechtsprechung, positiv beurteilt. Der Bundesverband der Lohnsteuerhilfevereine listet ihnen die wichtigen Urteile auf:

Krebsabwehrtherapie

Krankheitskosten (z. B. für eine immunbiologische Krebsabwehrtherapie), denen es objektiv an der Eignung zur Heilung oder Linderung mangelt, können zwangsläufig erwachsen, wenn der Steuerpflichtige an einer Erkrankung mit einer nur noch begrenzten Lebenserwartung leidet, die nicht mehr auf eine kurative Behandlung anspricht. Dies gilt selbst dann, wenn sich der Steuerpflichtige für eine aus schulmedizinischer oder naturheilkundlicher Sicht nicht anerkannte Heilmethode entscheidet (BFH, Urteil vom 2.9.2010, VI R 11/09).

Künstliche Befruchtung

Aufwendungen eines Ehepaares für eine heterologe künstliche Befruchtung können als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Abs. 1 EStG abgezogen werden (BFH, Urteil v. 16.12.2010, VI R 43/10).

Erforderlicher Nachweis

Um Krankheitskosten im Rahmen des § 33 EStG geltend zu machen, muss der Nachweis einer Krankheit und der medizinischen Indikation der Behandlung nicht mehr zwingend durch ein vor Beginn der Behandlung eingeholtes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten oder Attest geführt werden. Zur Geltendmachung von Krankheitskosten kann ein Nachweis auch noch später geführt werden (BFH, Urteile v. 11.11.2010, VI R 18/09, VI R 17/09 und VI R 16/09).

Eine Berücksichtigung der Kosten für die Heilbehandlung findet statt, ohne dass ein Bedarf zur Prüfung einer Zwangsläufigkeit der Kostenhöhe und des Grundes der Behandlung im Einzelfall vorliegt. Geboten ist diese Verneinung der typisierenden Behandlung von Krankheitskosten, um ein unzumutbares Eindringen in die jeweilige Privatsphäre zu vermeiden, sofern die Aufwendungen nach den Grundsätzen eines gewissenhaft arbeitenden Arztes sowie nach den Erfahrungen und Erkenntnissen der Heilkunde zur Linderung oder Heilung der Erkrankung vertretbar sind – BFH, Beschluss vom 9.11.2010 VI B 101/10.

Fahrtkosten zum Arzt

Neben den Aufwendungen für Freizeitfahrten (bis 15.000 km pro Jahr) können auch die Kosten für die Fahrten zu Behandlungen bzw. Ärzten nach § 33 Abs. 2 EStG zusätzlich als Krankheitskosten berücksichtigt werden – BFH, Beschluss vom 15.6.2010, VI B 11/10).

Besuchsfahrten ins Krankenhaus

Aufwendungen für Besuchsfahrten zu einem im Krankenhaus liegenden Ehegatten oder Elternteil können ausnahmsweise als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, wenn sie unmittelbar und entscheidend zur Heilung oder Linderung der Krankheit beitragen. Dies kann regelmäßig der behandelnde Arzt im Krankenhaus beurteilen (BFH, Beschluss v. 12.1.2011, VI B 97/10).

Kosten für Heimunterbringung

Werden Aufwendungen einer Heimunterbringung dem Grunde nach als Krankheitskosten und damit außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, sind sie gem. § 33 Abs. 1 EStG abziehbar, soweit sie die zumutbare Belastung sowie die Haushaltsersparnis übersteigen (BFH, Urteil v. 15.4.2010, VI R 51/09).

Ist eine Unterbringung im Seniorenheim aufgrund von Krankheit not-wendig, so sind die Kosten für den Aufenthalt im Sinne der außergewöhnlichen Belastungen abzugsfähig. Der Aufenthalt kann auch dann als krankheitsbedingt gelten, wenn im Schwerbehindertenausweis kein Merkzeichen „Bl“ oder „H“ festgestellt ist und keine Pflegekosten zusätzlich angefallen sind (BFH, Urteil v. 13.10.2010, VI R 38/09).

Kosten bei Behinderung

Ein Abzug im Sinne der außergewöhnlichen Belastungen ist bei Kosten für die behindertengerechte Umgestaltung bzw. den Umbau des Familienwohnheims möglich, sofern sie in einem solchen Maße unter dem sich aus der Situation ergebenden Gebot der Zwangsläufigkeit stehen, dass hinsichtlich der Gesamtumstände im Einzelfall die eventuelle Erlangung eines Ausgleichs bzw. Gegenwerts in den Hintergrund tritt (BStBl 2010 II S. 280, BFH, Urteil v. 22.10.2009, VI R 7/09). Dieser Grundsatz ist ebenso auf die Kosten, die im Rahmen eines behindertengerechten Umbaus eines Pkw entstehen, zu übertragen. Neben den Fahrtkosten sind derlei Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung prinzipiell in voller Höhe im Jahr des Abflusses absetzbar (LfSt Bayern, Verfügung vom 28.5.2010, S 2284.1.1-2/6). Darüber hinaus räumt die Finanzverwaltung in beiden Fällen (Wohnung und Kfz) die Möglichkeit ein, die Aufwendungen im Wege einer abweichenden Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO) auf die Folgejahre zu verteilen, wenn wegen eines zu niedrigen Gesamtbetrags der Einkünfte kein voller Abzug der Aufwendungen möglich ist.

Kann ein schwerbehindertes Kind angesichts der Schwere und der Dauer seiner Erkrankung seinen Grundbedarf und behinderungsbedingten Mehrbedarf nicht selbst decken, darf es zur Altersvorsorge maßvoll eigenes Vermögen bilden. Für den Abzug von außergewöhnlichen Belastungen nach § 33 EStG kommt dabei die das eigene Vermögen des Unterhaltsempfängers betreffende Bestimmung des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG nicht zur Anwendung (BFH, Urteil v. 11.2.2010, VI R 61/08).

Auch wenn die Abzugsmöglichkeiten der Kosten für Krankheit verbessert wurden, bleibt es weiterhin dabei, dass eine Begrenzung der Abzugsfähigkeit spätestens dann erfolgt, wenn die jeweilige Behandlung der Erkrankung durch Personen vorgenommen wird, die keine Zulassung zur Ausübung eines Heilkundeberufes haben.

Weitere Voraussetzungen sind, dass die Maßnahme entsprechend den Richtlinien der Berufsordnung der zuständigen Ärztekammer durchgeführt worden ist und es keine Kostenübernahme durch die Krankenkasse gibt.

Außergewöhnliche Belastungen; Sammeln von Rechnungen für Heilmittel, Arzt- und Arzneikosten kann sich lohnen!

Aufwendungen für Heilmittel, Arzneikosten u. Ä. können bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen als außergewöhnliche Belastungen in der Steuererklärung abgezogen werden. Voraussetzung ist immer die Vorlage der Rechnung, der Nachweis der Zahlung (z. B. Überweisungsträger, Kontoauszug, Barquittung) und unter Umständen eine Verordnung des Arztes oder des Heilpraktikers.

Kosten Voraussetzung
Apotheke Sämtliche Medikamenten- u. Rezept-Zuzahlungen Verordnung des Arztes oder Heilpraktikers
Optiker Brillen, Hörgeräte, Kontaktlinsen, Reinigungsmittel etc. ärztliche Verordnung
Heilpraktiker Behandlungskosten etc. keine
Zahnarzt Behandlungskosten, Zahnersatz etc. (Eigenanteil) keine
Arzthonorar sämtliche Zuzahlungen keine
Praxisgebühr 10 € Praxisgebühr keine
Krankengymnastik Eigenanteil an den Behandlungskosten Verordnung des Arztes oder Heilpraktikers
Fahrtkosten zu Arzt, Zahnarzt, Kranken-gymnastik u. Ä. a) Fahrt mit eigenen PKW = 0,30 €/km

b) Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Bus, Bahn, Taxi)

a) Aufzeichnungen, wie oft der Arzt usw. aufgesucht wurde. Diese Aufzeichnungen bitte durch den Arzt be-stätigen lassen.

b) Fahrtkosten oder Quittung

Die Aufzählung ist nicht vollständig!

Besondere Anforderungen sind zu erfüllen

Für manche Aufwendungen sind besondere Anforderungen zu erfüllen. Sie sind gesondert durch ein ärztliches Attest nachzuweisen. Grundsätzlich genügt ein Attest des Hausarztes oder eines Facharztes; es empfiehlt sich aber zur Risikovermeidung, vor Beginn der Maßnahme ein amtsärztliches Attest (Gesundheitsamt) oder ein Attest des medizinischen Dienstes einer gesetzlichen Krankenversicherung einzuholen. Hiervon sind z. B. folgende Aufwendungen betroffen (Beispiele – ärztliches Attest notwendig):

  • Allergien: Kauf eines Bettsystems
  • „Anonyme Alkoholiker“: Teilnahme an Gruppentreffen (Fahrtkosten)
  • Gefährdung der Gesundheit durch Asbest- / Formal-dehyd-Emissionen: Haus- bzw. Wohnungssanierung, Ersatz von Möbeln
  • Kur: Eigener Kostenanteil für Unterkunft, Anwendungen, Reisekosten, Begleitperson
  • Kinderkur: bei privater Unterbringung und mit einer Begleitperson
  • Logopädische Therapie: Behandlung eines Kindes
  • Anschaffung medizinischer Geräte: z. B. Bestrahlungsgerät, Blutdruckmessgeräte
  • Legasthenie (Lese- und Rechtschreibschwäche des Kindes): Therapeutische Behandlung, Unterbringung in einer Fördereinrichtung (Internat etc.)
  • Asthmaerkrankung eines Kindes: Aufenthalt an einem heilklimatischen Ort
  • Künstliche Befruchtung mit Fremdsamen: wenn bei Ehegatten medizinisch keine andere Zeugung möglich ist

Unser Tipp: Lassen Sie Kosten – soweit es möglich ist – in einem Jahr zusammenkommen. Für den steuerlichen Abzug ist der Zeitpunkt der Zahlung, nicht der Zeitpunkt der Leistung maßgebend!

Zumutbare Belastung

Die o. g. Aufwendungen wirken sich allerdings nicht in voller Höhe steuerlich aus. Es wird eine zumutbare Belastung abgezogen. Sie richtet sich nach der Höhe Ihrer Einkünfte, nach Ihrem Familienstand und der Anzahl der Kinder.

Gesamtbetrag* der Einkünfte ohne Kinder

ledig

ohne Kinder

verheiratet

1 – 2 Kinder 3 und mehr Kinder
bis 15.340 € 5 % 4 % 2 % 1 %
von 15.341 € bis 51.130 € 6 % 5 % 3 % 1 %
mehr als 51.130 € 7 % 6 % 4 % 2 %
* Berechnungsgrundlage ist der jährliche Gesamtbetrag der Einkünfte; bei einem Arbeitnehmer ohne weitere Einkünfte ist das der Bruttolohn abzüglich Werbungskosten!
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